Offener Brief: Burgergemeinde Bern erneut infrage gestellt

Die Burgergemeinde Bern – die reichste Burgergemeinde der Schweiz überhaupt – ist bekannt für ihr wohltätiges Engagement, ihre Beiträge an Konzerte und Museen und ihre Institutionen, wie beispielsweise das Generationenhaus. Schlagzeilen über die Burgergemeinde gab es in der Vergangenheit aber auch aus weniger schönen Gründen. So kündigte sie im Frühling dieses Jahres beispielsweise dem «Aufenthaltsraum» an der Postgasse die Räumlichkeiten, einer sozialen Institution, die täglich etwa 70 obdachlosen und anderweitig hilfsbedürftigen Menschen eine Mahlzeit, ein Gespräch und einen Raum zum Sein anbietet. Dies, weil die
Burgergemeinde ihre Liegenschaft renovieren und künftig mit «Mietzins auf Marktniveau» vermieten will – es grüsst die Aussicht auf Profit.

Wohltätiger Verein oder undurchsichtige Machtstrukturen?


Dass die Burgergemeinde heute trotzdem eher als wohltätiger Verein und nicht vor allem als undurchsichtige Berner Machtinstitution mit Immobilienimperium und eigener Bank, als Überbleibsel aus feudalen Zeiten wahrgenommen wird, liegt auch an ihrer aktiven Bemühung darum, einen positiven Eindruck nach aussen zu machen. Spätestens nachdem 2008 das Buch «Netzwerke des Konservatismus» der Historikerin Katrin Rieder
erschienen war, in dem unter anderem personelle Verstrickungen zwischen der Burgergemeinde und Nazis aufgedeckt wurden, musste die Burgergemeinde aktiv werden, um ihr Image zu verbessern: Sie versuchte es
durch offensivere Kommunikation nach aussen und mehr öffentliche Anlässe, die das Label «Burgergemeinde» trugen.


Zeit, mit offenen Karten zu spielen!


Trotzdem gab es immer wieder Kritik – und zwar von allen Seiten: 2009 forderte die SP Kanton Bern offiziell ihre Abschaffung, 2018 kritisierte die liberale Denkfabrik Avenir Suisse die Burgergemeinde Bern und im selben Jahr wurde aus den Reihen der SP im Berner Stadtrat ein Postulat eingereicht, welches Reparationszahlungen und die Fusion der Burgergemeinde mit der Einwohner:innengemeinde forderte. Anfang Juli dieses Jahres übergaben nun
Vertreter:innen der JUSO und anderer linker Parteien einen offenen Brief an die Burgergemeinde, der diese Forderung wiederholte – und der Burgergemeinde ein paar sehr konkrete, kritische Fragen zu ihrer Daseinsberechtigung und ihrem Demokratieverständnis stellte. Inzwischen hat die Burgergemeinde auf den offenen Brief, der unter anderem auch von der SP Stadt Bern unterzeichnet wurde, geantwortet – jedoch ohne auf die konkreten Fragen einzugehen. Sie beruft sich auf die Kantonsverfassung, in der die Burgergemeinden
festgeschrieben sind, ganz nach dem Motto «Es soll die Burgergemeinden geben, weil es sie gibt», und tituliert den Brief und seine Kritik als «populistisch». Weshalb tut sie dies? Wenn die Kritik im Brief unberechtigt ist, sollte es doch kein Problem für die Burgergemeinde sein, auf die Fragen darin einzugehen, oder? Es bleibt zu hoffen, dass die Burgergemeinde bei einem Austauschgespräch, das für September geplant ist, mit offeneren Karten spielt.

Hier geht’s zum offenen Brief.

Autorin: Charlotte Günther, Präsidentin JUSO Stadt Bern

Foto: JUSO Stadt Bern

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